Die Werft, die Leiter und ich – Pütz sei Dank!
- carolinekouvatsis
- 10. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Juli
Mein erstes Mal in der Werft mit Ayoka: Höhenangst, Hotelhorror und die kreative Rettung in der Nacht.

Mitte November 2024. Hurrikan? Abgehakt. Der Winter? Hängt mir zum Hals raus. Es ist Zeit. Zeit, Ayoka – unsere schöne Beneteau 50 – aus dem Winterschlaf zu wecken. Sie ruft! Und glaubt mir, sie ruft nicht leise. Sondern mit vollem Segel: “Bring mir meine Maniküre, neue Schläuche und eine Seeventil-Kur!”
Ja, der Frühjahrsputz steht an. Antifouling, Schrubben, Schrauben, Checken, Fluchen. Alles dabei. Und ich mittendrin – zum ersten Mal. Bereit für die neue Segel-Saison!
Paris? Jein.
Anreise diesmal nicht mit romantischem Baguette-Picknick an der Seine, sondern: direkt am Flughafen. Hotel? Von Michael gebucht. Sagen wir’s so: Der Teppichboden hatte Geschichten zu erzählen. Sehr viele Geschichten. Und ich wollte keine davon hören. Ich hasse Teppichböden. Ehrlich, ich will gar nicht wissen, wie viele Füsse – und noch schlimmer: welche Füsse – da schon durchgelatscht sind. Ich schlafe lieber auf einem Boot in schwindelerregender Höhe als in so einem Zimmer. (Spoiler: Genau das habe ich dann auch gemacht.)
Schneegestöber mit TGV
Die Reise begann mit einem kleinen Wintermärchen – oder eher: einem Schneefrustmärchen. Chaos auf den Schienen, aber wir waren schlau: Einen Zug früher genommen. Sonst hätten wir wohl in Basel festgesessen und Ayoka hätte weitergeschlafen. Selbst der TGV kam ins Keuchen. Aber hey – wir haben’s geschafft.
Ayoka hebt ab
Dann endlich: Karibik-Sonne! Die Werft ruft – www.carenantilles.com – eine echte Schiffsschrauber-Oase. Riesig. Laut. Spannend. Und Ayoka? Wurde per Kran aus dem Wasser gehievt. Majestätisch. Ich dachte, ich schau mir das ganz entspannt an. Doch dann:
Mein Schlafzimmer für die nächsten 7 Nächte?
Aufgebockt. Hoch. Sehr hoch. Gefühlte 100 Meter über dem Boden (okay, vielleicht eher 4). Und wie kommt man da rauf? Richtig. Über eine steile, wackelige Werftleiter. Ich – mit Höhenangst. Jackpot.
Schweisshände und Sicherheitsseile
Meine Knie? Butterweich. Meine Hände? Schweissnass. Mein Gesicht? Kreidebleich. Michael? Hat die Leiter für mich mit fünf Seilen gesichert, damit sie bloss nicht flieht, während ich mich rückwärts runtertaste. Ich sah wahrscheinlich aus wie ein nasser Pudel auf einem Klettergerüst. Zum Glück war keine Kamera da – zumindest hoffe ich das sehr.
Das stille Örtchen... weit weg
Und dann der Endgegner: Keine Toilette an Bord. Kein Problem? DOCH! Denn die Sanitäranlagen waren auf der anderen Seite der Werft. Fünf Minuten zu Fuss – inklusive dieser Horrorkletterpartie runter und wieder rauf. Mehrmals täglich. Ich hätte nie gedacht, dass ich mal für ein Klo so mutig sein muss.
Kleine Anmerkung am Rande:
Toiletten haben wir natürlich an Bord – sie funktionieren nur gerade nicht. Mangels Seewasser. Ihr kennt das. Werftleben eben. 😉
Die Rettung: Die legendäre Pütz
Aber dann – kam mir eine geniale Idee! Bevor ich mich nachts im Halbschlaf über diese verfluchte Leiter in den Dschungel der Dunkelheit wage, nehme ich doch einfach die gute, alte Pütz! Ja, genau die – der Eimer, der auf keinem Boot fehlt. Normalerweise zuständig für das Schöpfen von Wasser. Oder Putzeinsätze. Oder Rettungsaktionen. Aber diesmal? Hatte sie eine ganz persönliche Mission.
Sie wurde zur Nachttoilette deluxe.
Ich sag’s euch: Ich war so dankbar! Kein Nervenkitzel mehr, keine Todesleiter, kein Mitternachtsmarsch durch die Werft. Nur ich, meine kreative Ader – und meine tapfere Pütz. Ich werde sie in Ehren halten. Vielleicht bekommt sie sogar einen Namen.
Fortschritte nach Tag 4: Höhenangst, adé!
Und dann – ganz langsam – passierte etwas. Nach vier Tagen Werft-Leben, Schweiss, Farbe, Schläuchen und Auf-Ab-Auf-Ab auf der Leiter hatte ich meine Höhenangst plötzlich im Griff. Ich konnte mich auf dem Vorschiff ganz entspannt bewegen, fast schon lässig. Und die Leiter? Kein Problem mehr. Ich bin sie sogar mit Taschen, Rucksäcken, Werkzeugkisten und halber Kombüse rauf- und runtergeklettert wie eine Werft-Profi-Goatwoman. 💪
Nur eins hab ich nicht mehr hergegeben: meine liebgewonnene Pütz. Die bleibt. Für alle Fälle. Ehrenplatz inklusive.
Fazit:
Ich bin nicht vom Boot gefallen. Ich bin über mich hinausgewachsen. Und ich weiss jetzt: Wahre Liebe zu einem Segelschiff bedeutet auch, es mit schmerzenden Oberschenkeln, Teppich-Trauma, Höhenangst – und einer Pütz als Lebensretterin – zu pflegen.
Ayoka, ich bin bereit. (Wirklich) Ich komme wieder!
Über die Autorin
Ich bin die mit der Höhenangst auf der Werftleiter, der Teppichphobie im Hotelzimmer und der wohl kreativsten Nutzung einer Pütz seit Menschengedenken. Seglerin mit Herz, Improvisationstalent aus Überzeugung – und chronisch neugierig auf jedes Abenteuer rund ums Boot. Mit meiner Ayoka entdecke ich nicht nur die schönsten Küsten, sondern auch regelmässig meine eigenen Grenzen – und klettere (zähneknirschend) darüber hinaus.
Hier schreibe ich so, wie ich reise: ehrlich, ungeschönt, manchmal fluchend, oft lachend – aber immer mit ganz viel Liebe zum Meer.